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Schilddrüsenpraxis Josefstadt

Herz und Hypothyreose

Verfasst von Dr. Georg Zettinig, Wien, 2002

Ursprünglich 2002 veröffentlicht auf www.nuklearmedizin.org

Hypothyreose und ihre Auswirkung auf das Herz

Schilddrüsenhormone haben großen Einfuß auf Herz und Kreislauf, und Störungen der Schilddrüsenfunktionslage verursachen verschiedenste Störungen des Herz-Kreislaufsystems. Die Effekte einer manifesten Schilddrüsenunterfunktion auf das Herz sind schon lange bekannt; durch die breite Verfügbarkeit von TSH Bestimmungen wurden kardiovaskuläre Veränderungen bedingt durch eine Schilddrüsenunterfunktion in Österreich aber selten.

Die kardialen Manifestationen einer Hypothyreose reichen von der Bradykardie über die linksventrikuläre systolische und diastolische Dysfunktion bis zu Veränderungen des Blutvolumens, Blutdrucks, und des systemischen Gefäßwiderstands. In letzter Zeit mehren sich die Hinweise, daß auch eine latente Hypothyreose das Herz/Kreislaufsystem schädigt. Die vorliegende Übersicht befasst sich mit den Auswirkungen der Hypothyreose auf das Herzkreislaufsystem.

Einleitung

Der Zusammenhang zwischen einer gesteigerten Schilddrüsenhormonausschüttung und Herzrhythmusstörungen wurde bereits im Jahre 1825 beschrieben, zahlreiche Folgearbeiten bestätigten die Auswirkungen einer Schilddrüsenüberfunktion auf das Herz/Kreislaufsystem. Hämodynamische Veränderungen, die durch eine Hypothyreose verursacht werden, sind zwar auch schon lange bekannt , sie sind aber in der Regel diskreter und weniger dramatisch als bei der Hyperthyreose.

Durch die breite Verfügbarkeit von Assays zur Bestimmung des Thyroidea stimulierenden Hormons (TSH) wurden kardiovaskuläre Veränderungen bedingt durch eine Schilddrüsenunterfunktion selten. Viele durch die Hypothyreose hervorgerufenen Veränderungen werden durch Wirkungen der Schilddrüsenhormone auf das Herz/Kreislaufsystem auf molekularer Ebene hervorgerufen.

Wirkung der Schilddrüsenhormone

Trijodthyronin (T3) hat eine direkte Wirkung auf die kardialen Myozyten. Das Hormon bindet an nukleäre Rezeptoren, und bei der Bindung des Liganden an den Rezeptor kommt es zu strukturellen Veränderungen, die zur Expression eines spezifischen Gens führen. Der T3 Rezeptor bleibt dabei immer im Zellkern an ein spezifisches T3 Response Element gebunden, welches aus einer einzelnen Peptidkette besteht. Einzelne Abschnitte davon modulieren spezifische Funktionen der Schilddrüsenhormonrezeptoren.

Neben der direkten Wirkung über nukleäre Rezeptoren hat T3 auch eine schnelle nicht-nukleäre Wirkung auf Ionenkanäle und Ionenpumpaktivität. Diese tritt bei isolierten kardialen Myozyten innerhalb von Minuten auf und kann daher nicht durch Genexpression bedingt sein. Obwohl in vivo die Wirkung dieser nichtgenomisch bedingten Effekte von T3 auf das Herz nur gering sein dürfte, könnte die Stimulation einzelner Signalkaskaden und auch der Effekt auf Ionenkanäle eine Rolle spielen . Das adrenerge Nervensystem hat ebenfalls eine Wechselwirkung auf die kardialen Effekte der Schilddrüsenhormone.

Deutlich ausgeprägter sind die Wirkungen der Schilddrüsenhormone auf die Hämodynamik: Schilddrüsenhormone bewirken auf molekularer Ebene eine Herabsetzung des peripheren Gefäßwiderstandes, und die Hypothyreose führt durch einen gesteigerten Gefäßtonus in Ruhe und eine gestörte Vasodilatation bei Belastung zur linksventrikulären Dysfunktion.

Schilddrüsenhormone haben auch großen Einfluß auf die Kontraktilität des Herzens: Sowohl Geschwindigkeit und Intensität der systolischen Kontraktion als auch die Dauer der diastolischen Relaxation werden durch Schilddrüsenhormone beeinflußt , was vor allem dadurch bedingt wird, daß T3 die Expression der Kalzium Adenosin Triphosphatase (ATPase) des sarkoplasmatischen Retikulums steigert, die Expression von Phospholamban (ein Protein, das diesen Prozeß inhibiert) vermindert, und die Phosphorylierung von Phospholamban begünstigt.

Die molekularen Mechanismen des Einflusses von T3 auf die elektrische Aktivität sind erst teilweise geklärt. T3 verkürzt die Dauer des Aktionspotentials in hypothyreoten Ratten durch einen Mechanismus, der sowohl auf molekularer als auch nichtgenomischer Ebene gesteuert zu sein scheint.

Klinik

Da heutzutage eine Hypothyreose meist im subklinischen Stadium und/oder bei den ersten vagen Allgemeinsymptomen diagnostiziert wird, sind klinisch manifeste kardiovaskuläre Symptome einer Hypothyreose selten. Die Symptome sind meist weniger dramatisch als in der Hyperthyreose. Eine kurzzeitige hypothyreote Phase führt oft zu keinen Veränderungen ; Symptome finden sich in der Regel nur bei Patienten mit lange bestehender Unterfunktion.

Herzinsuffizienz

Eine alleinig durch eine Hypothyreose hervorgerufene Herzinsuffizienz findet sich nur selten und nur bei Patienten mit lange andauernder und ausgeprägter Hypothyreose. Hypothyreote Patienten mit Herzinsuffizienz haben in der Regel bereits eine vorbestehende kardiale Erkrankung, die durch eine Hypothyreose verschlechtert wird. Bereits bei kurzzeitiger Hypothyreose kommt es zu einer hochsignifikanten Abnahme der Kontraktilität und zu einer Verlängerung der diastolischen Relaxationszeit.

In der manifesten Hypothyreose findet sich eine verlängerte Pre-ejection-period und eine Reduktion der linksventrikulären Auswurffraktion, es wird auch über Perikardergüsse bei der Mehrzahl der Patienten berichtet . Neben der Bradykardie trägt auch der erhöhte systemische Gefäßwiderstand (der um bis zu 50 Prozent steigen kann) zum verminderten Cardiac Output bei . Da jedoch in der Hypothyreose auch der Sauerstoffbedarf in der Peripherie herabgesetzt ist, dauert es lange, bis sich eine klinisch manifeste Herzinsuffizienz ausbildet.

Zahlreiche Studien weisen darauf hin, daß bereits eine latente Hypothyreose das Herz-/Kreislaufsystem beeinflußt. In der latenten Hypothyreose zeigt sich weder eine Änderung der Herzfrequenz noch der systolischen Zeitintervalle. Allerdings findet sich als Ausdruck einer systolischen Dysfunktion eine verlängerte pre-ejection period und eine verlängerte linksventrikuläre Auswurfzeit. Eine verminderte Auswurffraktion in Ruhe findet sich bei Patienten mit latenter Hypothyreose lediglich in einer Studie, mehrere Autoren berichten jedoch über eine herabgesetzte linksventrikuläre Auswurffraktion unter Belastung. In den letzten Jahren häufen sich auch die Hinweise, daß es in der latenten Hypothyreose auch zur Ausbildung einer diastolischen Dysfunktion kommten kann.

Koronare Herzkrankheit

Seit langem ist bekannt, daß eine Hypothyreose zu einer Erhöhung des Cholesterinspiegels im Serum führt, der Einfluß einer latenten Hypothyreose auf das Serumcholesterin wird zur Zeit noch diskutiert. Andere Arteriosklerosemarker wie Lipoprotein a oder Homocystein zeigen ebenfalls eine Wechselwirkung mit der Schilddrüsenfunktion, und die Hypothyreose führt auch zur Ausbildung einer Hypertonie. In einer eigenen Untersuchung an der Universitätsklinik für Nuklearmedizin Wien konnten wir mit Hilfe der Positronen Emmissions Tomographie (PET) mit N13-Ammoniak eine um 25% verminderte koronare Flussreserve bei Patienten mit latenter Hypothyreose nachweisen.

Zahlreiche Daten deuten auf eine Assoziation zwischen Hypothyreose und koronarer Herzkrankheit hin. Mehrere Autoren berichten, daß bereits die latente Hypothyreose mit koronarer Herzkrankheit assoziiert ist ; insbesondere in der Rotterdam-Studie, einer großen epidemiologischen Untersuchung, wurde die latente Hypothyreose als unabhängiger Risikofaktor für Arteriosklerose und Myokardinfarkte bei älteren Frauen ist identifiziert.

Elektrophysiologische Veränderungen

EKG Veränderungen bei hypothyreoten Patienten sind häufig. In der Hypothyreose findet sich eine Verlägerung des Aktionspotentials und der QT Zeit , was bis zur Ausbildung einer Torsade de pointes führen kann. Endstreckenveränderungen im EKG mit spitz negativen T Wellen können eine Myokardischämie imitieren.

Therapie

Eine Therapie mit Levothyroxin führt zur Rückbildung der oben beschriebenen Veränderungen. Bei jungen Patienten ohne Hinweis auf eine organische Herzerkrankung kann sofort mit einer adäquaten Dosierung begonnen werden.

Bei älteren Patienten und bei Patienten mit organischen Herzerkrankungen sollte jedoch mit 25% der geplanten Dosis begonnen werden, um nach schrittweiser Steigerung in sechs bis achtwöchigen Intervallen die adäquate Dosierung zu erreichen. Eine groß angelegte Studie bei hypothyreoten Patienten zeigte, daß es nach Beginn einer Schilddrüsenhormontherapie nur selten zum Neuauftreten oder zur Verschlechterung einer Angina Pectoris kommt, und daß diese Therapie bei der Mehrzahl der Patienten zu einer Verbesserung der pektanginösen Beschwerden führt.

Erst kürzlich wurde auch mit Hilfe der PET bestätigt, daß sich bei hypothyreoten Patienten eine Substitutionstherapie mit Schilddrüsenhormonen positiv auf die kardiale Funktion auswirkt. Auch bei latenter Hypothyreose führt eine Substitutionstherapie zu klinischer Besserung und zu einer Besserung der systolischen und diastolischen Dysfunktion, zu einem Anstieg des myokardialen Blutflusses unter Belastung, sowie zur Normalisierung zahlreicher anderer Parameter.

Dieser Artikel wurde 2002 verfasst und entspricht dem Stand des Wissens zum Zeitpunkt der Veröffentlichung.

Literatur beim Verfasser.

Schilddrüsenpraxis Josefstadt - Univ. Doz. Dr. Georg Zettinig
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