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Schilddrüsenpraxis Josefstadt

Morbus Basedow und Hashimoto-Thyreoiditis - die Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse

Verfasst von Dr. Georg Zettinig am 29. 8. 2022 als Manuskript für die Initiative Immunologie der Ärzte-Krone.

Jahrhundertelang war Österreich Jodmangelgebiet und der Kropf (die vergrößerte und/oder knotig umgeformte Schilddrüse) war ein Volksleiden, welches fast überall vorkam.

Seit Einführung der Speisesalzjodierung hat sich das Bild der Schilddrüsenerkrankungen völlig geändert: Die aggressiven Schilddrüsenkarzinome gibt es heute fast gar nicht mehr. Auch die großen Kröpfe, die sich noch auf zahlreichen historischen Abbildungen finden, sind heute zur Rarität geworden. Stattdessen haben Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse zugenommen und sind heutzutage in einer Schilddrüsenpraxis bereits weitaus häufiger zu finden als Knoten.

Bei Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse produziert das Immunsystem „irrtümlicherweise“ Antikörper gegen das körpereigene Schilddrüsengewebe. Im Wesentlichen werden zwei unterschiedliche Formen unterschieden: Der Morbus Basedow und die chronische Immunthyreoiditis.

Morbus Basedow

Bei Morbus Basedow produziert das Immunsystem irrtümlicherweise Antikörper gegen die eigene Schilddrüse. Pathogenetisch wegweisend ist die Produktion von Antikörpern gegen den an der Zellmembran der Thyreozyten lokalisierten TSH-Rezeptor (TSH-Rezeptor-Antikörper, TRAK). Diese TSH-Rezeptor-Antikörper können teilweise blockierend sein, sind zum größten Teil allerdings stimulierend, führen zu einer Entzündung der Schilddrüse und zu einer durch vermehrte Hormonproduktion bedingte Schilddrüsenüberfunktion.

Die Ursachen für einen Morbus Basedow sind vielschichtig, es besteht eine genetische Veranlagung, Umwelteinflüsse wie Nikotin und Jod können eine Rolle spielen, auch emotionale Belastungssituationen können die Ausbildung eines Morbus Basedow triggern. Durch die übermäßige Produktion der TSH-Rezeptor-Antikörper kommt es zur Ausbildung einer Schilddrüsenüberfunktion, die anfänglich als relativ angenehm empfunden wird: Man ist flotter, agiler und der Grundumsatz steigt. In der Folge kippt die Situation und die klinischen Beschwerden einer Schilddrüsenüberfunktion treten in den Vordergrund: Ruhetachykardie auch in der Nacht, Schwitzen, Nervosität, Durchfall, Gewichtsverlust, innere Anspannung, Reizbarkeit und zunehmende emotionale Verletzbarkeit. Meist wird in dieser Phase dann ein Arzt aufgesucht.

Diagnostik des Morbus Basedow

Durch eine Blutuntersuchung wird die hyperthyreote Funktionslage dokumentiert: Das TSH ist meist supprimiert, das fT4 mild bis deutlich erhöht, das fT3 als Ausdruck der Produktionshyperthyreose deutlich erhöht. TSH-Rezeptor-Antikörper sind erhöht nachweisbar, oft finden sich begleitend auch TPO-Antikörper und manchmal auch Thyreoglobulin-Antikörper. Im Ultraschall zeigt sich das typische echoarme Muster einer Autoimmunerkrankung, oft mit gesteigerter Vaskularisation in der Dopplersonografie. In der Szintigrafie erfolgt die Differentialdiagnose zur passageren Überfunktion bei einer Thyreoiditis. Die Radionuklidanreicherung in der Szintigrafie ist meist deutlich homogen über die gesamte Schilddrüse gesteigert.

Therapie des Morbus Basedow

Initial ist oft eine begleitende Betablocker-Therapie angezeigt, um die Ruhetachykardie zu mildern. Nach gesicherter Diagnose beginnt eine thyreostatische Monotherapie mit Thiamazol oder, falls in speziellen Fällen erforderlich, Propylthiouracil. Die Dosierung ist so zu wählen, dass das fT4 im (oberen) Normalbereich liegt, sich im Zeitverlauf langsam normalisiert und das TSH (das der aktuellen Schilddrüsensituation ja um Wochen nachhinkt) in den niedrig-normalen, später in den normalen Bereich kommt.

Regelmäßige Kontrollen in anfangs kurzfristigen Abständen mit entsprechenden Dosisanpassungen sind erforderlich. An die seltenen, aber bedrohlichen Komplikationen einer Thyreostatika-Therapie (Leukopenie bis hin zu Agranulozytose sowie Leberschädigung) sind zu denken.

Die Therapie wird mindestens ein Jahr bis eineinhalb Jahre gegeben. Bei Rezidiven kann eventuell ein erneuter Therapiezyklus versucht werden, spätestens dann sollte allerdings eine definitive Sanierung (totale Thyreoidektomie oder Radiojodtherapie) gedacht werden.

Endokrine Orbitopathie

Die Antikörper gegen den TSH-Rezeptor können nicht nur an den Thyreozyten binden, sondern auch im retrobulbären Gewebe. Dies kann zu einer Entzündung hinter dem Auge führen, die als endokrine Orbitopathie bezeichnet wird. Die klinische Aktivität der endokrinen Orbitopathie wird durch den neunpunktigen Clinical-Activity-Score (CAS) beschrieben, die meisten Punkte können auch durch Nicht-Augenärzte evaluiert werden.

Erstes Zeichen einer endokrinen Orbitopathie ist die Oberlidretraktion. Bereits in dieser Situation sollten die Patienten an ein spezialisiertes Zentrum überwiesen werden. Andere periphere Gewebsreaktionen des TSH-Rezeptor-Antikörpers wie das prätibiale Myxödem oder die Akropachie sind selten.

Chronische Immunthyreoiditis

Weitaus häufiger ist die chronische Immunthyreoiditis, die im Gegensatz zu Morbus Basedow meist langsam schleichend über Jahre verläuft. Auch hier gibt es eine genetische Prädisposition, auch hier können äußere Faktoren wie Jod eine Rolle spielen. Pathogenetisch wegweisend ist die Ausbildung von Antikörpern gegen Thyreoperoxidase (TPO-Antikörper) sowie begleitend oft auch gegen Thyreoglobulin (Thyreoglobulin-Antikörper).

Die chronische Immunthyreoiditis läuft in mehreren Stadien: Initial kommt es zu einer meist Wochen dauernden, selbst-limitierenden Phase einer oft nur mild ausgeprägten subklinischen Hyperthyreose, die passager, durch Zelldestruktion bedingt ist. Anschließend normalisiert sich die Schilddrüsenfunktionslage wieder und Jahre, oft erst Jahrzehnte später kommt es zum Auftreten einer Schilddrüsenunterfunktion, die lebenslang therapiepflichtig werden kann.

Klinik

Die Klinik der chronischen Immunthyreoiditis richtet sich nach der Schilddrüsenfunktionslage. Die initiale passagere Hyperthyreose ist oft ein Labor-Zufallsbefund und wird nur selten klinisch bemerkt. Die Symptome der subklinischen und später manifesten Schilddrüsenunterfunktion sind individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt und unspezfisch: Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Gewichtszunahme, Verstopfung, Kältegefühl, trockene Haut, Haarausfall, Zyklusunregelmäßigkeiten.

Diagnostik

Die initiale Entzündungsreaktion im Schilddrüsengewebe kann anfangs am besten im Ultraschall beurteilt werden. Oft erst Jahre später lassen sich TPO- und begleitend Thyreoglobulin-Antikörper im Blut nachweisen. Oft weitere Jahre später kommt es zur Ausbildung der Schilddrüsenunterfunktion. Die kurze Phase der passageren Überfunktion tritt nur selten sehr ausgeprägt auf. In diesen Fällen kann es notwendig sein, durch eine Szintigrafie die Differentialdiagnose zur Produktionshyperthyreose bei Morbus Basedow zu sichern.

Therapie

Die Therapie der chronischen Immunthyreoiditis hängt vom jeweiligen Stadium ab. Die passagere Überfunktion ist meist nicht behandlungspflichtig, eventuell kann symptomatisch eine Betablocker-Therapie gegeben werden. In der Phase der Euthyreose kann bei positiven TPO-Antikörpern Selen gegeben werden, das den Krankheitsverlauf günstig beeinflusst. Spätestens bei manifester Schilddrüsenunterfunktion ist eine meist lebenslange Therapie mit Schilddrüsenhormon erforderlich.

TSH und der hypophysär-thyreoidale Regelkreis

Das Hormon TSH wird von der Hirnanhangdrüse ins Blut ausgeschüttet und reguliert die Schilddrüsenfunktion so wie ein Thermostat die Heizung reguliert. Zu Beginn, wenn die Schilddrüse durch die Thyreoiditis mäßig eingeschränkt ist, finden sich oft schwankend hochnormale TSH-Werte, die bei den betroffenen Patienten zu oft variabel ausgeprägter Symptomatik führen:

Weit mehr als die Hälfte der Patienten merkt überhaupt nichts. Einzelne Patienten zeigen bei hochnormalen TSH-Werten bereits Beschwerden einer Unterfunktion, die unter Schilddrüsenhormontherapie reversibel sind. In dieser Situation kann ein Therapieversuch mit Schilddrüsenhormon sinnvoll sein. Sollte es damit allerdings zu keiner Symptombesserung kommen ist abwarten angezeigt.

Bei TSH-Werten über 10 µU/ml bzw. bei manifester Schilddrüsenunterfunktion (also auch verminderten freien T4 und T3 Werten) ist auf jeden Fall eine Schilddrüsenhormontherapie angezeigt. Die Therapie der ersten Wahl ist eine T4-Monotherapie. Ziel sind TSH-Werte im unteren Normbereich. Die Kontrolle der Schilddrüsenfunktion soll erst nach mehr als 6 Wochen nach Therapieänderung erfolgen. Erst dann ist der TSH Wert aussagekräftig. Wenn auch das freie T4 bestimmt wird, soll am Tag der Blutabnahme kein Schilddrüsenhormon eingenommen werden.

Autoimmunerkrankungen und Schwangerschaft

Bei Kinderwunsch und Schwangerschaft ist ein florider Morbus Basedow problematisch, diese Patientinnen sollten in einem Zentrum weiter abgeklärt werden.

Hochnormale TSH-Werte beziehungsweise eine subklinische Unterfunktion können bei Kinderwunsch zu einer herabgesetzten Fruchtbarkeit und einer erhöhten Abortrate in der Frühschwangerschaft führen. In diesen Situationen kann eine Therapie mit Schilddrüsenhormon sinnvoll sein. Je nach Situation sind während einer Schwangerschaft bei Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse Kontrollen der Schilddrüsenfunktion angezeigt.

Nach Entbindung kommt es oft zu einer Verschlechterung von Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse: die einige Monate nach Entbindung oft auftretende Überfunktion kann einerseits passager, durch Zelldestruktion im Rahmen einer Thyreoiditis (Post-partum-Thyreoiditis) oder seltener durch einen Morbus Basedow bedingt sein.

Jod und Selen

Jod und Selen sind die beiden wichtigsten Mikronährstoffe für die Schilddrüse. Für eine gesunde Schilddrüse ist eine ausreichende Jodversorgung essentiell. Bei Autoimmunerkrankungen kann die kontinuierliche zusätzliche Dauergabe von Jod die Autoimmunreaktion verstärken. Selen senkt die Autoantikörper und wirkt günstig auf den Verlauf einer Autoimmunerkrankung der Schilddrüse.

Literatur beim Verfasser.

Schilddrüsenpraxis Josefstadt - Univ. Doz. Dr. Georg Zettinig
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